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Sechs Monate lebte und arbeitete der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS und umkreist von Mai bis November 2014 alle 90 Minuten einmal die Erde in 400 km Höhe mit einer Geschwindigkeit von 28.000 km/h. Per Twitter oder Facebook, auf seinem Blog oder seiner Foto-Website lässt er hunderttausende von Menschen "durch meine Augen" auf "unsere einzige Heimat blicken, die wir haben - die Erde". Wer mag, kann sich die Live-Webcam der ISS anschauen und Gedanken über die etwas andere Perspektive, ohne Grenzen und Nationen, machen.                                                                                                                                                                                                                                                                                    Foto: ESA

 

 

 Alexander Gerst am 10. November 2014 Minuten nach der Landung der Soyuz-Kapsel in der kasachischen Steppe.                   Foto: ESA / S. Corvaja

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst im Weltraum

"Hier oben

sieht man

keine Grenzen"

Seit Mai 2014 umkreiste der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation in 400 km Höhe die Erde. Fast sechs Monate blieb er im All und führte hunderte von Experimenten durch. Am 10. November 2014 landeten er und seine Kollegen, der russische Kosmonat Maxim Suraev und der US-Amerikaner Reid Wiseman, wieder in der kasachischen Steppe. Der 38-jährige inspirierte zigtausende von Menschen, die ihm über Twitter, Facebook, seinem Blog oder auf seinen Fotoseiten folgen. Gersts Gedanken gehören vielleicht zu den bemerkenswertesten Erkenntnissen, die wir in den letzten Jahrzehnten gelesen haben:

 

"Als Astronauten haben wir aus 400 Kilometern Höhe eine einzigartige Sicht auf unseren Planeten. Dinge, die wir auf der Erde jeden Tag in den Nachrichten sehen und so fast als gegeben ansehen, wirken aus unserer Perspektive ganz anders. Aus dem Weltraum kann man keine Grenzen erkennen. Wir sehen bloß einen einzigartigen Planeten mit einer dünnen, zerbrechlichen Atmosphäre, der in der weiten Dunkelheit des Alls schwebt. Von hier oben wird einem klar, dass die Menscheit auf der Erde eins ist und wir dasselbe Schicksal teilen".

Eines Tages schoss Gerst sein "traurigstes Foto, das ich je gemacht habe". Ohne es im ersten Moment zu wissen, hatte er aus 400 Kilometern Höhe die Raketenangriffe aus und auf Gaza gesehen. In seinem Blog schrieb er darüber: "An dem Tag, als ich dieses Foto gemacht habe, schwebte ich in der Cupola, unserer Beobachtungsplattform auf der ISS. Ich bemerkte plötzlich etwas, das ich vorher noch nie gesehen hatte: Lichtstreifen, die sich hin und zurück über die dunkle Erde bewegten, die außerdem manchmal von orangenen Feuerbällen erleuchtet wurde. Ich nahm meine Kamera und machte einige Fotos, bevor ich schließloich verstand, was ich eigentlich gesehen hatte und worüber wir gerade geflogen waren. Obwohl das Foto selbst keine Explosionen zeigte, konnte ich sie doch mehrmals beobachten. Als ich die Fotos machte, stellte ich mir die Frage: Sollte uns jemals ein fremde Speziues von irgendwoher aus dem Universum besuchen - wie würden wir ihnen erklären, wenn es das wäre, was sie als erstes von unserem Planeten sehen würden? Wie würden wir ihnen erklären, wie wir Menschen miteinander und mit unserem Planeten umgehen, der einzigen Heimat, die wir haben? Ich habe keine Antwort darauf."

Wenige Monate später schrieb er in seinem Blog:

"Können Sie sich vorstellen, dass alle Länder und Kontinente die Sie jemals gesehen haben, alle Menschen die jemals gelebt haben, alles was jemals auf unseren Planeten existiert hat und passiert ist, ja, in der Tat unser Planet selbst auf einen einzelnen Punkt reduziert werden kann? Ich kann es nicht. Und doch ist es so.

Im Jahr 1990 konnte ein Astronom namens Carl Sagan die NASA überzeugen, eine der Voyager Sonden auf dem Weg aus unserem Sonnensystem hinaus umzudrehen um einen letzten Blick von außen auf unser Sonnensystem zu werfen. Das resultierende Bild war so verblüffend einfach wie eindrucksvoll. Aus 6.5 Milliarden Kilometern Entfernung betrachtet war unser Sonnensystem ein schwarzes Nichts, die Planeten auf die Größe von winzigen Bildpunkten geschrumpft. Ein einzelner Pixel war blau.

Astronauten, die von Weltraumreisen zurückkommen berichten davon, wie zerbrechlich unser Planet von außen wirkt. Die Apollo Missionen haben uns gezeigt, dass unsere Erde nichts weiter ist als eine Steinkugel, die von einer hauchdünnen blauen Atmosphäre umgeben ihre Bahnen durch ein schwarzes, leeres und lebensfeindliches Universum zieht. Oder, wie es Buckminster Fuller einmal ausgedrückt hat, als unser Raumschiff einmal im Jahr mit uns allen zusammen um die Sonne reist. Es ist unser einziges. Wenn wir das empfindliche Lebenserhaltungssystem in diesem Raumschiff stören, dann ist es mit uns vorbei.

Auf der Erdoberfläche stehend scheinen die Ressourcen um uns herum unendlich. Wenn wir in einem Flugzeug reisen, haben wir bereits zwei Drittel der Atmosphärenmasse unter uns. Auf die Dichte von Wasser komprimiert wäre sie nur 10 Meter dick. Auf einer Rakete reitend können wir sie innerhalb von 8 Minuten verlassen. Und doch ist sie alles, was uns vor tödlicher kosmischer Strahlung schützt.

Wenn wir ein Problem haben, dann ist es oft nützlich, einen Schritt zurück zu nehmen und sich die Situation von außen anzuschauen. Und genau diese Perspektive möchte ich von der Blue Dot Mission zurückbringen. Ich möchte vermitteln, wie es sich anfühlt, als Mensch unseren Planeten von außen zu sehen, und wie wertvoll diese Perspektive für uns ist.

Ich bin mir absolut sicher, dass irgendwann einmal die Zeit kommt, in der jeder von uns die Möglichkeit haben wird, einmal im Leben die Erde aus dieser Perspektive zu sehen. Und ich bin mir sicher, es wird die Menschheit zum Positiven verändern. Denn letztendlich ist es unser aller Entscheidung, ob wir auf dem Raumschiff Erde nur als Passagier mitfliegen, oder ob wir zur Besatzung gehören wollen." (Originaltext hier>>>)

 

Zur Live-Webcam der ISS >>>

 

 

 

"Spacewalk": Im Bild der US-Astronaut Reid Wiseman.                    Foto: Alexander Gerst / ESA

 

 

Alexander Gerst im Funkkontakt mit Schülern.

 

 

Pressekonferenz aus dem Weltall: Alexander Gerst beantwortet Journalistenfragen. 


 

10.11.2014: Sichere Landung in Kasachstan

 

 

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